top of page

Wochenbett vs. Trauerphase: Meine 5 Tipps für Betroffene



Am 6. August 2020 habe ich eine kleine Tochter zur Welt gebracht, sprich, ich befinde mich aktuell noch im "Wochenbett". Das Wochenbett dient zur Regeneration der Mutter nach der Geburt und zieht sich ca. 6-8 Wochen hin, manchmal auch länger. Man verbringt viel Zeit zu Hause und fördert somit das Kennenlernen zwischen Baby und Eltern. Letztendlich ist das Wochenbett aber auch dafür da, um sich mental in Ruhe mit der neuen Rolle als Mami zu identifizieren. Eine wunderschöne und besondere Zeit, in der man das kleine Wesen willkommen heißen kann. Neben Stillen, Windeln wechseln, himmlischen Momenten und Minuten der Verzweiflung, finde ich so langsam wieder Zeit, um mich mit meinem Projekt (diesem Blog) zu beschäftigen. Hoffen wir, dass es so bleibt :-)

Ich habe mich mit der Frage beschäftigt, warum das Wochenbett für frisch gebackene Mütter eine gesellschaftlich anerkannte Rückzugsphase darstellt, während es vergleichbare Modalitäten für Trauernde nicht gibt. Mitgliedern der katholischen Kirche ist sicherlich das sog. Sechswochenamt geläufig. Es markiert das Ende der ersten Trauerphase. Nach christlichem Glauben geht man davon aus, dass der Verstorbene nun im Frieden Gottes lebt. Manche tragen bis zum Sechswochenamt z.B. schwarze Kleidung als Ausdruck ihrer Trauer. Gewöhnlich feiert man das Sechswochenamt in Form einer heiligen Messe. Immerhin! Aber sollten die ersten Wochen nach einem Schicksalsschlag nicht hauptsächlich getragen sein von Empathie und liebevoller Zuwendung, Trost und Anteilnahme ?

Während meines Wochenbetts kamen mir so einige „Erkenntnisse“. Auch wenn Geburt und Tod meilenweit voneinander entfernt scheinen, gibt es einige Parallelen. Meine wichtigsten Erkenntnisse habe ich hier zusammengetragen:

#1 Lasse Dich nicht von den Meinungen anderer ablenken


Mir ist aufgefallen, dass beim Thema Baby jeder mitreden möchte. Es gibt unzählige Meinungen und Ratschläge. Wenn das Baby da ist, geht es darum, ob, wie und wie lange man stillt, wie man seinen Tagesablauf am besten gestaltet oder was die beste Beruhigungsmethode ist. Puh - ganz schön anstrengend! Und dabei möchte man sich doch erst einmal selbst orientieren und seinen eigenen Weg finden (dürfen). Allen Recht machen kann man es nicht. Das habe ich bereits im Krankenhaus lernen müssen, wo mir jede Schwester etwas anderes erzählte und für temporäre Verwirrung sorgte.


Ich habe schnell gemerkt, dass ich mich frei machen muss von den Meinungen anderer. Sicherlich sind sinnvolle Ratschläge dabei, die ich ausprobieren werde. Jedoch ist es wichtig, sich bestimmte Aussagen nicht zu Herzen zu nehmen und seinem inneren Instinkt zu folgen (nicht umsonst spricht man vom "Mutter-Instinkt"). Eine dieser Aussagen, die mein Mann und ich zu hören bekamen, war z.B.: "Oh, ein Kaiserschnitt-Kind. Da müsst ihr später mit Depressionen aufpassen, da dem Kind die Erfahrung der Geburt fehlt." Oder neulich beim Spazierengehen: "Darf „DAS“ schon raus???" Ich erinnere mich in solchen unangenehmen Momenten an meine hilfreiche Meditations-App. Hier lernt man störende Gedanken während der Meditation auf eine Wolke zu schicken und vorbei ziehen zu lassen. Eine gute Methode, um Abstand zu gewinnen und sich schnell wieder auf sich selbst zu fokussieren.


Das Phänomen des "Reinredens" kann man auch beim Thema Verlust beobachten. Trauert man zu lange, schauen einen die Leute skeptisch an und es heißt "So langsam könnte er / sie aber mal aufhören ständig von ... zu sprechen". Trauert man nach der Meinung Dritter zu kurz oder zu wenig, heißt es schnell: "er / sie scheint das ja alles gut verarbeitet zu haben." oder "seltsam, dass er / sie überhaupt keine Fotos von ... zu Hause aufgestellt hat."

Wenn man nicht lernt, sich von den Meinungen anderer frei zu machen, kann schnell ein Teufelskreis entstehen. Lässt man all die Urteile zu nah an sich heran, wird es umso schwerer, seine innere Stimme zu hören. Viele Wege führen nach Rom - auch beim Trauern. Es gibt kein richtig oder falsch. Der eine trauert laut, der andere leise. Manche früher, andere später. Viele alleine, andere mit fachlichem Beistand. Und alles darf sein! Folge immer Deinem Bauchgefühl :)

#2 Lasse Dich umsorgen


Wöchnerinnen (so nennt man Frauen im Wochenbett) wird zugestanden, liebevoll von nahen Angehörigen und Freunden umsorgt zu werden. Das betrifft vor allem die praktischen Dinge des Lebens, z.B. die Versorgung mit gesunder Nahrung, kleine Einkäufe usw. Meine Schwester backte mir

z.B. einen Vorrat an köstlichen Stillkeksen und eine liebe Freundin brachte beim Besuch ihre übrig gebliebenen Mami-Utensilien aus Ihrem eigenen Wochenbett mit. Das alles ist Gold wert!!

Auch Trauernde kann man mit einfachen Dingen unterstützen. Gewöhnlich erhält man Kondolenzschreiben oder auch Blumen, was sicherlich eine schöne Geste ist. Die meisten Trauernden sehnen sich aber nach zusätzlicher Anteilnahme und Nähe. In der Akutphase empfehle ich deshalb, seinem Umfeld proaktiv mitzuteilen, was einem weiterhelfen könnte. Vielleicht bittet man eine Freundin, kurz vorbeizukommen, um etwas im Haushalt zu helfen oder mit dem Hund Gassi zu gehen. Somit macht man es den anderen auch leichter. Gewöhnlich zerbrechen sich nämlich viele Leute den Kopf darüber, wie man einem Trauernden helfen kann. In den ersten Wochen nach einem Verlust geht es ausschließlich darum, die Grundbedürfnisse des Trauernden zu stillen. In dieser Zeit ist alles erlaubt und die Person muss gut versorgt werden. Manchmal sind es die kleinen Dinge des Lebens, die einen großen Effekt haben. Eine Bekannte hat damals nach dem Tod meines Vaters meiner Mutter regelmäßig Wasserkästen vor die Tür gestellt, um ihr das mühsame Schleppen zu ersparen; eine andere Freundin versorgte sie mit Eintöpfen oder köstlichen Kuchen. Eine schöne Geste, an die ich mich erinnere.

#3 Ernähre Dich gesund

Für Frauen im Wochenbett ist es das "A und O", sich gesund zu ernähren und viiiiel zu trinken. Zum einen unterstützt es den Milchfluss, zum anderen regeneriert sich der Körper schlichtweg schneller. Hormone, Schlafmangel und emotionale up and downs - all das muss man von heute auf morgen bewältigen. Und dafür braucht es Energie. Neben den Stillkeksen habe ich von meiner Schwester einen Vorrat an Wochenbettkost von https://mothersfinest.org (haltbar für mehrere Monate) bekommen. Die Gründerin Kerstin Seidl hat sich zum Ziel gesetzt, Frauen im Wochenbett mit reichhaltigen, einfach zuzubereitenden Gerichten zu versorgen. Für mich genau richtig, denn schon bald werde ich unter der Woche mit meinem Baby alleine sein und da muss es am Herd schnell gehen!

Wenn man einen geliebten Menschen verliert, wird nicht nur die Seele sondern auch der Körper stark beansprucht. Der anfängliche Schock setzt einem gewaltig zu. Manche haben Schlafstörungen oder Angstzustände, andere verlieren täglich mehr Energie durch das viele Weinen und die emotionale Belastung.


In dieser Zeit ist es wichtig, auf sich und seinen Körper zu achten. Hört sich banal an, aber es bringt tatsächlich etwas, wenn man zumindest körperlich für genügend Energie sorgt. Die Versorgung des Körpers ist etwas, was man unabhängig von der Trauer aktiv beeinflussen kann. Es gibt einem ein wenig Macht zurück. Das die seelische Komponente nicht so schnell wieder in Einklang zu bringen ist, sollte klar sein. Daher kann es helfen, wenn man zumindest die äußerlichen Faktoren ein Stück weit steuert.

#4 Begleiten lassen ist OK

Heute hat fast jede Frau eine Hebamme, die sie während der Schwangerschaft und/oder danach begleitet. Das bedeutet nicht, dass die Frauen es nicht alleine schaffen würden. Es bedeutet, dass man sich einen Experten sucht, der mit hilfreichen Tipps zur Seite steht. Auch ein Geburtsvorbereitungskurs gehört heute normalerweise dazu (das sollte ich nicht zu laut sagen, denn wir haben uns gegen einen Kurs entschieden :) Auch wegen Corona. Aber ich weiß, dass es vielen werdenden Eltern sehr geholfen hat). Schließlich ist die Geburt eines Kindes der Beginn eines neuen Lebens mit neuen Aufgaben und Herausforderungen. Bei einer Schwangerschaft ist es also völlig normal und anerkannt, sich rundum von versierten Menschen unterstützen zu lassen.

Genauso sollte man die Rolle eines Trauerbegleiters betrachten. Ein Trauerbegleiter kennt die Sorgen und Nöte von Menschen in emotionalen Extremsituationen. Er / sie kennt hilfreiche Unterstützungen oder gar Antworten auf Ängste und quälende Fragen, gilt als Wegweiser im Dschungel der Gefühle. Es ist absolut in Ordnung, sich professionell begleiten zu lassen und mit jemandem über seinen Verlust zu sprechen. Trauerbegleitung ist keine Psychotherapie. Es bietet lediglich die Möglichkeit, seine Gedanken gegenüber einer neutralen Person zu äußern und über den erlebten Verlust zu sprechen. Denn das ist das Beste, was man machen kann: reden! (oder schreiben - siehe #5).


#5 Schreibe auf, was Dich beschäftigt


Schreiben hat mitunter heilende Kraft! (Eigentlich wollte ich ab Tag 1 nach der Geburt ein Baby-Tagebuch schreiben. All die emotionalen Momente der letzten Wochen festhalten. Dazu gekommen bin ich noch nicht, aber es steht ganz oben auf meiner To Do Liste.)


Vielen trauernden Menschen hilft das Schreiben. Deshalb habe ich auch diesen Blog ins Leben gerufen, um mehr Menschen dazu zu ermutigen, ihre Geschichte zu erzählen. Schreiben ist eine wunderbare Möglichkeit, seelischen Ballast abzubauen. Das geschieht fast automatisch. Es geht nicht darum, einen Literaturpreis zu gewinnen. Es geht nur darum, in Worte zu fassen, wie man sich fühlt und was einem widerfahren ist. Vielleicht inspiriert mein Tipp #5 ja den ein oder anderen Betroffenen, sich demnächst ein hübsches Tagebuch zuzulegen und einfach drauf los zu schreiben.

Summa summarum plädiere ich dafür, trauernden Menschen insbesondere in der Anfangszeit mit viel Empathie aktiv zur Seite zu stehen und auf ihre Bedürfnisse verständnisvoll einzugehen.


bottom of page